Bürgerentscheid pro IKEA – jetzt geht es los

Lange wurde diskutiert, jetzt hat der Bürger das Wort: Der Bürgerentscheid pro IKEA startet und wird darüber Auskunft geben, wie die Altonaer Bevölkerung über das geplante Vorhaben denkt, anstelle des Frappant-Gebäudes, in dem früher Karstadt untergebracht war, eine innerstädtische IKEA-Filiale zu errichten.

Erwähnenswert an diesem Bürgerentscheid ist, dass er erstmals ein positives Petitum hat. Der Bürgerentscheid hat explizit das Ziel, IKEA anzusiedeln. Er wurde im Wesentlichen von den Kaufleuten in der Großen Bergstraße organisiert, die sich davon eine Belebung der Straße erhoffen. Nicht, dass es an öffentlichkeitswirksam agierenden Kritikern fehlen würde. Aber entweder konnten oder wollten die Gegner die für ein eigenen Bürgerentscheid notwendigen Unterschriften noch nicht beim Bezirksamt abgeben. Es ist in der Tat bedauerlich – wer auch immer daran Schuld ist – dass die beiden Bürgerbegehren nicht gegeneinander abgestimmt werden können. Wenn jetzt aber ein Bürgerentscheid durchgeführt wird, hat glaube ich niemand Verständnis dafür, wenige Monate später noch eines mit einem negativen Petitum abzustimmen. Man kann hoffen, dass die Gegner das Ergebnis dann respektieren – vielleicht fällt es ja auch zu ihren Gunsten aus. Aber die große Öffentlichkeitsarbeit, die die Gegner gerade fahren, würde ich mal als Beleg dafür werten, dass man den ersten Entscheid auch ernst nimmt. Durchaus lobenswert auch, dass IKEA selbst vom Bürgerentscheid seine Entscheidung abhängig macht, also nicht versuchen wird, über andere Wege ans Ziel zu kommen.

Zur Sache selbst hatte ich mich ja schon an dieser Stelle geäußert. Ich finde viele Sachen im jetzigen Kultur-Frappant super, aber es war von vornherein klar, dass es angesichts des Privatbesitzes nur eine Zwischennutzung sein kann. Ich muss auch kein IKEA haben, aber schlecht fände ich es auch nicht, nicht immer mit dem Auto nach Schnelsen rausfahren zu müssen, sondern per Bus in 10 Minuten da zu sein. Ich glaube zudem schlicht nicht an die Argumentation, dass ein Billigmöbelkaufhaus ein Gentrifizierungsfaktor ist. Vielmehr ist das Gegenteil vermutlich der Fall: Ein alternatives Kulturzentrum mit dem Ruch des Illegalen und Kreativen (Besetzung! Protest! „Künstler“!) hat viel mehr Potential, den Stadtteil für Medien- und Werbeagenturen und  die nachfolgende Eppendorfer Schickeria attraktiv zu machen. Das beste Beispiel dafür ist der Gentrifizierungseffekt der Roten Flora in der Schanze. Wenn die sogenannten Künstler (de facto sind dabei auch viele ganz gewöhnlich Gewerbetreibende wie Architekten und Grafiker, die sich über wettbewerbsverzerrend günstigen Büroraum freuen) aus dem Frappant gegen Gentrifizierung wären, müssten sie eigentlich also eigentlich sich selbst bekämpfen.

Im Übrigen würde ein ablehnendes Ergebnis des Bürgerentscheides nicht den Fortbestand des Frappants als Kulturinstitution bedeuten. Im Gegensatz zum Gängeviertel und vergleichbaren Objekten befindet sich das Gebäude schon lange in Privatbesitz, der Besitzer wird also versuchen, ein anderes Konzept zu finden, um sein Gebäude zu versilbern. Er kann, dass kann man gar nicht oft genug sagen, auch jetzt schon ohne jede Genehmigung ein Kaufhaus im bestehenden Gebäude errichten. Verhindern lässt sich nur ein Neubau (wie er für IKEA aber notwendig wäre).

Viel ernster nehme ich die Argumente aus städtebaulicher Sicht und die Verkehrsproblematik. Da kann ich nur auf die vollkommen richtigen Vorraussetzungen für eine Ansiedlung von IKEA verweisen, die die GAL-Fraktion (der ich als zugewählter Bürger angehöre) verabschiedet hat. Da die GAL das weitere Verfahren nach einem eventuellen positiven Bescheid maßgeblich mitbestimmt, werde ich beim Bürgerentscheid mit JA stimmen.

[Update: Wurde zurecht darauf hingewiesen, dass ich Bürgerbegehren und Bürgerentscheid ab und zu (z.B. in der Überschrift) durcheinandergeworfen habe. Ist jetzt hoffentlich überall richtig]

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9 Antworten zu Bürgerentscheid pro IKEA – jetzt geht es los

  1. Unglaublich. Ich verstehe nichts mehr, was ist aus euch geworden, ihr Grünen? Ich hab euch mal gewählt – aber seit dem Abriss des Bismarckbads und dem fürchterlichen Mercado-Anbau ist das garantiert vorbei.

    Macht doch die Augen auf! Gerade fängt die Grosse Bergstraße wieder an zu gedeihen. Da wo vor 5 Jahren noch die ballonseidene Trainingshose à la Neukölln regierte sehe ich jetzt das Volk, das seinerzeit Ottensen zum Leben erweckt hat. Weil in meiner Nachbarschaft (der Ottenser Hauptstraße) bald nur noch Kneipen, Bäcker, Friseure und ein unfassbar überteuerter Bioladen zu finden sind, gehe ich zum Einkaufen inzwischen zum Türkenmarkt in der Bergstrasse. Herrlich, was es da alles gibt, Daneben der alte Teeladen. wie hieß er gleich? Ach. Wer erinnert sich noch an Molitor in der Ottenser Haupstraße? Das findet man jetzt auf der anderen Seite. Ganz besonders mag ich die Läden direkt hinter dem Bahnhof, wo früher Zardoz war *seufz*, also Köz Urfa, den Afrikaner und um die Ecke das genialste Portugiesencafè überhaupt. Wer kennt den Kurzwarenladen gegenüber im ersten Stock? Super, wo gibt’s sowas noch?

    Was passiert wohl damit, wenn auf einmal das ganze Umland in den Ikea stürmt? Davon bleibt nichts. Stattdessen: Noch ein Friseur. Noch ein Bäcker. Starbucks. Balzac. und der ganze Mist. Die vorgeschlagenen Einschränkungen der Grünen: Augenwischerei. Der Strom der Menschen wird sich seinen Weg bahnen, und ein Klotz bleibt ein Klotz, mit oder ohne abgeschrägtes Dach. Und dann das schlimmste: kein konkretes Statement zum Nahverkehr. Wahnsinn.

    Das Begehren bekommt von mir nur: NEIN, NEIN, NEIN.

  2. @Christian: Dummerweise sagen gerade die alteingesessenen Läden in der Großen Bergstraße, dass sie den Laden dicht machen müssen, wenn IKEA nicht kommt. Keine Ahnung, ob das stimmt, schaden wird es sicherlich nicht. Du glaubst aber bitte selbst nicht, dass ein letztlich bildungsbürgerliches Kulturzentrum da für weniger Gentrifizierung sorgt? Ich habe ja ausgeführt, was das für Effekte haben wird. Im letzten Schritt bedeutet das auch Starbucks oder McDonalds (siehe Schanze). Ich glaube sogar: Eher als IKEA.

  3. @Christian noch was in Sachen Geschichtsklitterung: Die GAL hat den Ausgang des Bürgerentscheides zum Bismarckbad akzeptiert und ein dem Bürgerentscheid entsprechendes Planungsprocedere mit der bezirklichen CDU in Gang gesetzt. Das Thema wurde dann aber von der noch allein regierenden CDU im Senat evoziert. Ganz davon abgesehen hatte das Bismarckbad dramatische Besucherrückgänge und verfiel, während man im neuen „Festland“ an der Holstenstraße, dass angeblich niemand wollte, keinen Fuß an die Erde bekommt vor Überfüllung.

  4. Henning sagt:

    Die Ladenbesitzer haben einfach keinen Plan und sind verzweifelt.

    NIEMAND wird aus dem Ikea raus kommen und noch Geld in einem kleinen Laden lassen! Frag‘ doch mal, was die Leute normal noch so machen, nachdem Sie bei Ikea waren?
    Nett was Essen(abgesehen davon, dass das da einfach nicht geht, weil die alle echt kein appetitliches Angebot haben)? Ne teure Flasche Wein kaufen? Noch schnell ’n paar Doc Martens dazu? Gemüse?

    Dazu gibt es ja Studien, und es sei Euch mal der Film „Wal Mart – the high cost of the low price“ angeraten.

    Ikea interessiert sich keinen Deut für das Wohl dieser kleinen Läden, und steht zu vielen in Konkurrenz. Wer wird da wohl gewinnen?

    Dass der Bezirk und die GAL keine besseren Ideen entwickeln können, mit denen
    man den Läden helfen könnte, spricht nicht für sie.
    Die Leute um das Frappant bieten ein Konzept – es fehlt nur an
    politischer Unterstützung, das umzusetzen.

    Und was heißt hier „Privatbesitz“? Ist die HRE nicht verstaatlicht?
    Und das Frappant gehört doch einer HRE-Tochter. Also???

    Statt dreifach preisexplodierte Elbphilharmonien für hunderte Millionen
    und für 5% der Bevölkerung zu bauen, was die GAL ja nun auch mit zu verantworten hat, wieso nicht ein zwei, drei Milliönchen für ein Frappant-Kulturzentrum ausgeben?

    Sind doch die berühmten Peanuts!

  5. Lars, zu deiner Antwort: ich glaube gar nicht mal dass die viel genannte Gentrifizierung das Problem sein wird. Ein paar Besserverdienende schaden nicht (auch in der Schanze) solang die Mischung organisch ist. Das schlimmste was einem Stadtteil passieren kann ist, wenn er von Menschen frequentiert wird, die nicht dort wohnen. Das macht die Innenstädte kaputt und wäre auch für Altona Süd der Todesstoss. Es muss etwas entstehen, was hauptsächlich von den Anwohnern (also die zwischen St. Pauli und Max Brauer Allee) genutzt wird, egal was es ist.

  6. Anton sagt:

    Was wird hier nur für ein Müll geredet. Wer von euch hat die Verschandelung der Bergstr. in den letzten Jahren verfolgt, gesehen, registriert und und und? „ich geh jetzt in die Bergstr. zum Türken“ – davon gab es voe ein paar Jahren noch mehr dort, es gab einen Mix, alles im Zusammenhang mit einem Kaufhaus. Und jetzt nur noch teilweise verschmierte, verpisste, stinkende, vefrschlossene Gebäude. Hier muß wieder Leben rein – eben so etwas wie IKEA, damit ein Mix an Publikum hier auftaucht. Und was heisst hier „Gentrifizierung“? Bleibt mal ehrlich bei dem deutschen Wort – auch ihr Grünen! Und hört endlich auf zu heulen, ihr habt doch auch nur Angst um eure Pfründe. Inivation und Veränderung bedeutet auch für alle anderen Bewegung und damit Hinwendung zu etwas besserem. Das Festhalten am status quo innerhalb der Grünen/Linken verblüfft in seiner primitiven Argumentationskette verdammt an alte Gewohnheiten der Konservativen (und bei denen liegt das Festhalten im Wort). Wenn IKEA nicht kommt, geht dieser Teil Altonas komplett den Bach (Pepermöhlendiek) hinunter, Harlem der sechziger/siebziger Jahre lässt Grüßen…!

  7. Christoph sagt:

    Und das in unser schönen Hansestadt… na ja sei es drum:
    Der Hamburger Senat hat ja schon häufiger gezeigt das beim Bürgerentscheid, siehe Buchenhofwald oder Privatisierung der Krankenhäuser, nicht die Meinung des Bürgers sondern die der Wirtschaft zählt daher ist selbiger sowieso uninteressant da die Entscheidung de facto ja schon getroffen wurde: Pro IKEA.

    Zur Gentrifizierung, natürlich gentrifiziert ein IKEA nicht, deswegen liegen IKEAs auch außerhalb der Stadt. Niemand wohnt freiwillig neben so einem Klotz den dazugehörigen Verkehr nicht zu vergessen. Aber hier in Altona müssen das die Menschen wohl demnächst den ihre Häuser und Wohnungen liegen nur wenige Meter vom Frappant entfernt.
    Quiz-Frage: Hätten sie gern Gegenüber ein IKEA?
    Und das Verkehrsproblem mit der dazugehörigen Verkehsbelastung ist äußerst ernst zu nehmen. Wer zahlt den die neuen Straßen, Zubringer, Parkplätze (IKEA stellt nur 750) ect.? Zusätzlich sehe ich bei den zwei Jahren IKEA-Baustelle-Großebergstraße für die kleinen Läden Schwarz, bei dem Lärm und Dreck wird da keiner mehr einkaufen oder wollt ihr beim Türken gegenüber der Baustelle sitzen? Diese Folgeinsolvenzen kommen McDonalds, Balzac und Co. aber sicher nicht ungelegen…

    Desweiteren Künstler gentrifizieren nicht das tut die Stadtplanung und die private Immobilien Wirtschaft. Das einzige was man dem Künstler vorwerfen kann ist das er sich von der Stadt instrumentalisieren lässt als Gentrifizierungswekzeug.

    Zu guter letzt finde ich es traurig das Konsum immer wieder mit Lebensqualität gleichgesetzt wird den wen wir ehrlich sind brauchen wir in Altona viel dringender ein Stadt- und Kulturzentrum als Hamburg noch ein IKEA braucht.

  8. Georg sagt:

    @Henning:
    Ein, zwei, drei Milliönchen… Um das Gebäude zu kaufen, muss man 11,5M € hinlegen (das ist das, was IKEA bezahlt hat). Und dann steht das Drecksding immernoch genau so da wie jetzt. Neubau/Umbau/etc. kostet bei dem Klotz nochmal einen zweistelligen Millionenbetrag. Wofür genau? Für 170 s.g. Künstler? Hallo?

    @Christoph:
    – Da es bisher keinen innerstädtischen IKEA gibt, kann man imho keine ernsthaften Aussagen darüber treffen, wie der Verkehr sich dort entwickeln wird. Das ist ein Argument, das immer wieder aus dem Ärmel geschüttelt wird. Um das Argument ernst zu nehmen, will ich eine Studie sehen. Ich denke: Die Kunden eines IKEA in innenstädtischer Lage wird zu 75% andere Kunden haben, als ein IKEA auf der grünen Wiese. Weil man eben dort eher mal hingeht, um Servietten, Teelichter, Handtücher zu kaufen und meinet wegen auch mal, um die (wie ich finde grausame) Kantine zu besuchen.
    – Wer von denen, die das in der Großen Bergstr. jetzt schon aushalten müssen, würde sich wohl an einer simplen Baustelle stören? Ein Unsinn sonders gleichen.
    – Wozu brauchen wir ein Stadt- und Kulturzentrum in Altona?

  9. Michael sagt:

    @Christoph:

    Du schreibst: „Der Hamburger Senat hat ja schon häufiger gezeigt das beim Bürgerentscheid, siehe Buchenhofwald (…) nicht die Meinung des Bürgers sondern die der Wirtschaft zählt …“

    Der Senat hat in Sachen Buchenhof überhaupt nichts entschieden, kann also am Beispiel Buchenhof auch gar nichts zeigen.

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