Der übliche Infowar bei den Schanzenkrawallen

demo

Schanzenkrawalle 21.12.2013 (Foto: woerpel auf Flickr, s.u.)

Schon seltsam, mit welcher Akribie manche Hobbyonline-Detektive (wie hier bei publikative.org oder bei metronaut) anhand von ein paar Youtubeschnipseln und im besten Fall anhand persönlicher Beobachtungen (an einem Punkt der Demo) versuchen zu beweisen, dass die Aggression bei den diesjährigen Schanzenkrawallen ursprünglich von der Polizei ausging. Als wären alle Bemühungen in Schule und Universität vergeblich gewesen, auf die Manipulationsmacht von Medien hinzuweisen. Ich will aber auch gar nicht das Gegenteil beweisen, ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Polizei nicht die schlauste Strategie gewählt hat, das hat sie in der Schanze bisher selten geschafft.

Sorge macht mir eher, dass diejenigen, die der Polizei die Schuld geben, offensichtlich tatsächlich glauben, es hätte keine Ausschreitungen gegeben, wenn die Polizei anders agiert hätte. Wer wie ich mindestens jede zweite Schanzendemo hautnah vor dem Fenster herlaufen hat kann dabei sehen, dass immer ein nicht unbeträchtlicher Teil der „DemonstrantInnen“ das Ganze als Event begreift und auf Befragung, worum es bei der Demonstration geht, vermutlich nur unzureichend Auskunft geben könnte. Und es ist keine steile These zu vermuten, dass bei der aufgeheizten Stimmung (zu der der Senat mit seiner unsäglichen Lampedusa-Politik allerdings seinen Teil beigetragen hat) die gestrige Demonstration besonders viele Heißsporne aus dem In- und wohl sogar Ausland angezogen hat.

Die Polizeistrategie ist fast egal

Es gab in den vergangenen Jahren etliche Strategien der Polizei, mit den unberechenbaren Schanzendemos umzugehen. Auch die Konzepte, die versuchten, die Polizei möglichst herauszuhalten, endeten in Randale. Beispielhaft sei hier der Angriff auf die Polizeiwache Lerchenstraße 2009 im Anschluss an ein offensichtlich zu langweiliges Schanzenfest durch Randalierer genannt, die wohl den direkten Kontakt mit der Polizei vermissten und dann aktiv suchten.

Ich finde es jedenfalls abenteuerlich, nur der Polizei die Schuld zu geben, wenn sogenannte DemonstrantInnen schon mit Feuerwerkskörpern bewaffnet zur Demonstration gehen, was selbst dem simpel strukturierten Geist klarmachen sollte, dass solche Leute nicht friedlich für Flora und Flüchtlinge demonstrieren möchten. Es ist ein Trauerspiel, dass die gestern eigentlich im Zentrum stehenden Themen durch solche Aktivitäten komplett untergegangen sind und dass viele aus dem linken Spektrum RandaliererInnen verteidigen anstatt den Sichtbarkeitsverlust der politischen Themen zu beklagen. Schade, dass man lieber in stereotype Freund/Feind-Muster von Polizei und Demo verfällt, anstatt dafür zu sorgen, dass die Demos wieder ihre inhaltlichen Ziele nach vorne tragen.

Verwüstet wird der Stadtteil, der die politischen Anliegen teilt

Zerstörter Drogeriemarkt, Schanzenkrawalle 21.12.2013 (Foto: woerpel auf Flickr, s.u.)

Zerstörter Drogeriemarkt, Schanzenkrawalle 21.12.2013 (Foto: woerpel auf Flickr, s.u.)

Ganz davon abgesehen, dass wieder einmal der Stadtteil auseinandergenommen wurde, der am meisten mit den Themen sympathisiert, den der politische Teil der DemonstrantInnen (zurecht) gefordert hat. Die Route wurde zwar so nicht beantragt, dennoch zeigt das Verhalten der RandaliererInnen, dass man nicht so richtig fähig zur Differenzierung ist. Kleiner Funfact am Rande: Im betroffenen Bezirk Altona ist sogar die CDU für den Erhalt der Flora und eine Duldung der Lampedusaflüchtlinge. Aber ich würde behaupten, dass das maximal 10% der SteinewerferInnen wissen, weil sie es gar nicht wissen wollen.

Was das für die Zukunft heißt?

Ich erwarte von denjenigen, die solche Demonstrationen anmelden, dass sie die IQ-befreiten RandaliererInnen schon im Vorhinein ausdrücklich, öffentlich und lautstark auslädt. Andernfalls muss man bei der Geschichte der Schanzendemos von Tolerierung ausgehen. Und das kann man dann wiederum als AnwohnerIn nicht mehr tolerieren. Hier werden durch die Sachbeschädigungen Existenzen aufs Spiel gesetzt, weil (nicht nur bei Demos) wahllos Fensterscheiben eingeschmissen werden und die nicht nur großkapitalistischen Großkonzernen zugehörigen LadenbesitzerInnen zum Teil gar keine Versicherung mehr finden, die ihnen das in Schulterblatt und Schanzenstraße noch versichern.

Fotos: Woerpel auf Flickr unter CC-Lizenz http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de – danke

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