Am Sonntag entscheiden wir, ob die Grünen im 21. Jahrhundert angekommen sind. Das mag für manche pathetisch klingen, für mich ist es aber der volle Ernst. Was für viele Delegierte vielleicht zunächst als ein Thema unter vielen auf der Tagesordnung empfunden wurde hat mittlerweile zu veritablen Grabenkämpfen geführt: Der netzpolitische Antrag des Bundesvorstandes. Dieser Antrag, der in vielen Punkten für langjährig mit dem Netz vertraute viele Selbstverständlichkeiten auflistet – vor allem die, dass mit dem Netz so wahnsinnig vieles anders geworden ist und noch wird – hat inzwischen viele Gegner auf den Plan gerufen. Vor allem der Abschnitt zum Urheberrecht, der letztlich lediglich versucht, das Urheberrecht in das digitale Zeitalter zu übertragen und darauf anzupassen, dass es heute eine viel direktere Beziehung zwischen Produzent und Konsument gibt, ruft die Kulturpolitiker auf den Plan (siehe dazu vor allem die Anträge von Helga Trüpel und Agnes Krumwiede). Diese Änderungsanträge sind immer noch von dem Glauben geprägt, Teile des Urheberrechts aus dem 19. Jahrhundert ließen sich in das 21. Jahrhundert übertragen. Unterstützt wird das von einem Trommelfeuer von Briefen von Lobbyverbänden an die Delegierten, die es an Dramatik nicht fehlen lassen, so dass man schon Spitzwegs „Armen Poeten“ vor sich sieht. Andere haben die darin simplifizierende Argumentation schon ausreichend auseinander genommen, auch das Antwortschreiben der grünen MdBs hat doch recht deutliche Worte gefunden und ich begrüße außerordentlich, dass dieser Brief auch von MdBs unterschrieben wurden, die den Antrag an einigen Stellen kritisch sehen.
Dennoch habe ich große Sorge, dass diese BDK – vielleicht auch aufgrund von falsch verstandener Künstlersolidarität – das Zeichen setzt, die Grünen hätten das Netz nicht verstanden. Es geht Netzpolitikern ja nicht darum, die Künstler zu enteignen. Es geht darum einen Antwort auf die Frage zu finden, wie sich die Gesellschaft auf den digitalen Wandel einstellt und dessen Chancen nutzt – und dabei auch die Kulturschaffenden nicht auf der Strecke bleiben. Und es geht Netzpolitikern wie gern unterstellt auch nicht darum, den Piraten hinterherzurennen. Die Piraten sind für mich vor allem eines der Symptome der beschriebenen dramatischen Veränderung. So wie wir es zu unserer Gründungszeit für die zunehmende Akzeptanz des Themas Ökologie waren.
Was aus den Piraten wird, kann heute keiner sagen. Aus uns aber ist die treibende Kraft fortschrittlicher Politik geworden. Lasst uns am Sonntag auf dem Parteitag gemeinsam dafür sorgen, dass das auch im digitalen Zeitalter so bleibt.
Lieber Lars Brücher, liebe Altona-Interessierte – ich würde mich freuen, mehr von euch zu hören! Schaut mal vorbei http://www.die-verschwundenen-von-altona.com.