Irgendwann 1992 stand ich in der elterlichen Küche und hörte aus dem Radio auf einer sonst sehr schwachbrüstigen Welle folgende Zeilen:
Zurück zum Haus zwischen den Gleisen und dem Garten, in dem die Apfelbäume warten, auf die ich kletterte mich vor Erdanziehung rettete bis jemand rief und ich dann in die Küche lief auf meinen Platz, den ich verließ wie einen Glauben wie die Klassenzimmer, Sportplätze, Partykeller Sicherheitszonen geschaffen von Eltern und Menschen, die in Luftschutzbunkern wohnen, in denen Du sonst nichts vermißt außer Dir selbst und sobald du Dich fragst, wer das ist und ob Du Dir so wie Du bist gefällst wird das der Moment, in dem Du das Gebäude verläßt mit ihm einen Berg von Leichen, Deine ich sah meine auf den Schienen bei gestellten Weichen ein letztes Mal die Köpfe schüttelnd liegen und fuhr fort und drüber weg fuhr fort und drüber weg
Das klang so dermaßen nach meiner Jugend in Ostwestfalen, dass eine Identifikation damit nicht schwer fiel und die mir unbekannte Band mein größtes Interesse weckte. Gleichzeitig war ich von der Rätselhaftigkeit fasziniert, kannte ich sowas doch bisher nur von den Fehlfarben – und die waren zu dieser Zeit seit 10 Jahren nicht mehr so richtig existent.
Wenig später begegnete mir das Lied bei einer Freundin wieder und dort hatte ich gleich das Vergnügen des gesamten Albums und erfuhr auf diesem Wege auch den Namen der Band: Blumfeld. Von dort an war’s geschehen, die CD lief nach Erwerb rauf und runter, jeder Text war eine Offenbarung für alle Spätadoleszenten.
Gleichzeitig wurde klar, dass die Ostwestfalenassoziation nicht ganz abwegig war, wuchs Sänger Jochen Distelmeyer doch in unmittelbarer Umgebung meines Wohnortes auf. Diese biographischen Ähnlichkeiten wurden später neben anderen noch durch unser beider Exil in Hamburg erweitert. Das half entschlüsseln.
Mittlerweile sind einige Alben dazu gekommen, einige ebenso schön, andere etwas weniger revolutionär. Immer aber waren Blumfeldkonzerte ein Erlebnis, von meinem ersten im alten Forum Enger im Jahre 1992 über das Volksbühnenkonzert oder die Solikonzerte in Hamburg. Damit ist nun Schluss: Heute und morgen gibt es die letzten beiden Blumfeldkonzerte ever. In Altona, in der Fabrik, ausverkauft. Ich freue mich morgen ein letztes Mal auf „So lebe ich“ und das unvermeidliche „Verstärker“. Und bin gespannt, was nach Blumfeld kommt. Aber erst einmal auf jeden Fall anders als glücklich.
Bis Freitag, Jochen.