Wie viele andere auch habe ich mich einmal am Wahl-O-Mat versucht. Heraus kam dabei, dass die Piratenpartei meiner Meinung am nächsten käme. Dabei bin ich doch ein amtlicher Grüner! Ich kam auch ziemlich schnell dahinter, warum das so ist: Die Piratenpartei hat zu vielen Punkten gar nichts zu sagen und gerät damit auch wenig in Konflikt mit potentiellen Wählern. Ich habe mir mal den Spaß gegönnt, die Positionen, die bei der Piratenpartei gänzlich unbesetzt sind, aufzulisten und das von den Piraten für den Wahl-O-Mat verfasste Statement zu zitieren.
Afghanistan
Das Thema Truppenabzug aus Afghanistan bewegt erst Recht nach der verheerenden Bombardierung der Tanklastwagen die Gemüter und entwickelt sich zu einem der wichtigsten Wahlkampfthemen. Wo bei anderen Themen oft eine Ununterscheidbarkeit der Parteien konstatiert wird, sind die Meinungen hier bei den etablierten Parteien sehr unterschiedlich – von sofortigem Abzug bis zum Dableiben. Die Piratenpartei jedoch sagt dazu im Wahl-O-Mat:
„Wir stehen dem Einsatz sehr kritisch gegenüber und empfinden die Lage in Afghanistan als sehr problematisch. Dennoch besteht keine Einigkeit darüber, ob ein sofortiger Abzug die richtige Lösung des Problems ist.“
Da können sich natürlich irgendwie alle drin wiederfinden, was das aber für die parlamentarische Arbeit bedeuten würde: Völlig unklar.
Mindestlohn
Es gibt schon seit langem einen Streit darum, ob es gerechter ist, einen Mindestlohn einzuführen oder ob das negative volkswirtschaftliche Effekte hat. Die Piratenpartei hätte hier eventuell die Chance, mich inhaltlich zum fremdgehen zu animieren, da ich der grünen Meinung dazu skeptisch gegenüberstehe. Leider heißt lautet der Kommentar der Piraten zum Mindestlohn:
„Das Thema ist innerhalb der Partei stark umstritten. Wir können deshalb leider keine eindeutige Aussage zu dem Thema treffen“
Arbeitsmarktpolitik der Piraten also: Völlig unbekannt.
Kündigungsschutz
Die Liberalisierung des Kündigungsschutzes betrifft fast jeden, sei er Unternehmer oder sei er Arbeitnehmer. Die Lockerungen könnten für viele Arbeitnehmer und ihre Familien einen hohen Unsicherheitsfaktor bei der wirtschaftlichen Planung erzeugen. Auf der anderen Seite könnten sie – so zumindest die Befürworter – positive Arbeitsmarkteffekte verursachen und ein Unternehmen global wettbewerbsfähig halten. Es gäbe also für die Piraten eine gute Möglichkeit, so oder so Partei zu beziehen. Die Antwort der Piraten lautet aber leider wieder:
„Diese Aussage ist innerhalb der Partei stark umstritten. Aus diesem Grund können wir hierzu leider keine klare Aussage treffen.“
Man merkt schon: Auch auf wirtschaftspolitischem Gebiet: Kein Anschluss unter dieser Nummer.
EU-Türkeibeitritt
Dieses Thema steht seit Jahren im Zentrum internationaler Politik. Warum? Weil hier die Frage von Orient und Okzident, der Umgang mit einem demokratisierten Islam, dem Zusammenhalt der Welt über Religionsgrenzen hinweg Spitz auf Knopf steht. Ich gebe zu, es ist ein verdammt hartes Thema, wo es nicht nur Lösung A und Lösung B gibt. Von einer Partei, die ich in den Bundestag wählen möchte, will ich dazu aber mehr lesen als:
„Zu dieser Frage fand innerhalb der Partei leider noch kein Meinungsbildungsprozess statt.“
Asylrecht
Reisefreiheit, Schutz der Menschenrechte, körperliche Unversehrtheit. Klingt nach Stichpunkten, die wie für die Piraten bestimmt zu sein scheinen. Und auch hier hätte ich durchaus gute Gründe, mit dem Agieren meiner Partei in der Vergangenheit zu hadern. Die Piratenpartei bietet mir dazu aber nur folgendes an:
„Zu diesem Thema fand innerhalb der Piratenpartei leider noch kein ausreichender Meinungsbildungsprozess statt.“
Ich würde mal mal sagen: FAIL in Sachen Menschenrechtspolitik.
Hartz IV
Die Hartz-Gesetze haben diese Republik in vieler Hinsicht verändert. Sie haben aus meiner Sicht das Sozialsystem zukunftsfähig gemacht, aus anderer Leute Sicht war es der Abschied vom Sozialstaat. Hartz hat die Gesellschaft gespalten, die SPD zu einer Ferner-liefen-Partei und die Linke im Westen salonfähig gemacht. Wie geht man also als Partei in der nächsten Legislatur damit um? Die Antwort der Piraten zum Thema Regelsätze lautet mittlerweile vertraut:
„Dieses Thema ist innerhalb der Partei sehr umstritten und befindet sich noch in einem andauernden Meinungsbildungsprozess. Aus diesem Grund ist es uns leider nicht möglich eine klare Aussage zu dieser These abzugeben.“
Auch in der Sozialpolitik lautet also die Devise: Bloß nicht angreifbar machen.
Im Wahl-O-Mat gibt es darüber hinaus etliche Aussagen der Piratenpartei, die nur mit Einzelbeschlüssen belegt werden können, die aber weder im Grundsatzprogramm noch im Wahlprogramm stehen, worauf also nicht unbedingt Verlass ist. Viele Themen werden sogar nur aus einem „Mehrheitsbeschluss der Bundestagskandidaten“ zitiert – das soll vermutlich heißen, dass sich nicht jeder Kandidat daran halten muss. Dazu gehören unter anderem solche marginale Themen wie Atomkraft, Gentechnik, Umwelt, Ausbildung etc. Exemplarisch sei dazu das hochemotionale und inhaltlich unterfütterte Statement zum Thema Gen-Technik zitiert:
„Die öffentliche Meinung neigt in Deutschland sehr stark dazu, gentechnisch veränderte Lebensmittel abzulehnen. Da wir keinen direkten Gewinn bei der Verwendung genetisch veränderter Lebensmittel erkennen können, sehen wir keinen Grund diese zu produzieren.“
Damit kein Missverständnis entsteht: Die Piraten behandeln Themen, die mir am Herzen liegen und sie haben dazu oft die richtige Meinung. Mein politischer Horizont geht aber über Datenschutz, Demokratie und Netzpolitik hinaus und ich erwarte in der derzeitigen Verfasstheit unserer Demokratie von Parteien, die zur Bundestagswahl antreten, umfassende Statements zu allen wichtigen gesellschaftlichen Themen. Das kann mir die Piratenpartei nicht bieten.